Der VW Phaeton 3.0 TDI – Luxus auf leisen Sohlen für Individualisten

Man kennt sie, die ewigen Stammtischparolen: „Volkswagen kann kein Luxusauto bauen!“ Doch heute nehme ich euch mit in eine ganz andere Welt – die Welt des VW Phaeton. Wir schauen auf gleich zwei Exemplare: einen von 2007 und einen von 2014. Der VW Phaeton – ein Auto, das so speziell ist, dass es quasi nur einen gibt, gebaut von 2001 bis 2016. Ich muss zugeben: Der Phaeton war lange mein heimlicher Schwarm, zwischen Saab 9-5 und Renault Avantime fristete er seinen Nischendasein und war immer ein bisschen wie der ungeliebte Sohn des Sonnengottes – zu schade für die Oberklasse, zu besonders für den Mainstream.

Wieso das Auto „Phaeton“ heißt? Kleines Stück Automobil-Trivia: Namensgeber ist der Sohn des Sonnengottes Helios, der kläglich beim Versuch scheiterte, den Sonnenwagen zu lenken – aber Piech, der VW-Boss mit Vision, wollte sein Meisterstück als „Schwanengesang“ schaffen. Heraus kam: Der Phaeton. In diesem Bericht will ich klären, ob es tatsächlich „das beste Auto“ geworden ist.

Begleitet mich auf einen Streifzug durch Design, Technik, Verarbeitung, den Arbeitsplatz des Fahrers, eine Fahrt auf der Straße – und meine ehrlichen Einschätzungen zu einem der vielleicht unterschätztesten Luxuslimousinen Deutschlands. Und wie immer gilt: Lohnt sich so viel Understatement und Komfort? Wer sollte sich so ein Stück deutscher Automobilgeschichte wirklich antun? Am Schluss gibt’s den CarRanger-Score – und das Herz entscheidet mit.


Das hat uns bewegt – Understatement mit Klasse

Wer einmal im Phaeton gesessen hat, versteht, warum dieses Auto für manche eine kleine Religion ist. Die Liebe zu Details, die fast schon wahnsinnigen technischen Anforderungen an den ersten Phaeton (40 Grad Außentemperatur, 22 Grad im Innenraum, 300 km/h – kein Problem, oder?) – das alles ist hier spürbar. Dieses Auto will gar kein 7er BMW oder Mercedes S sein. Der Phaeton ist wie der große Passat mit Abitur: Understatement, wohin das Auge (nicht) reicht.

Mich hat vor allem beeindruckt, wie viel Liebe und Sorgfalt jede Phaeton-Generation, egal ob kurz oder lang, ob Vier- oder Fünfsitzer, mitbekommt. Ob nun Zierleisten aus massivem Holz, Staufächer, die ein Kühlschrank sein wollen, Massagesitze oder Memory-Funktion für die hinteren Plätze – der Phaeton sagt unaufgeregt: Ich bin da für dich, und zwar auf die angenehmste Weise. Beim Fahren schlägt sein Komfort jede Yacht im Ruhestand, während Sound und Fahrspaß angenehm unaufdringlich bleiben.

Doch natürlich: Dieser „Schwanengesang“ ist keine pflegeleichte Anschaffung. Die Technik weiß, was sie will (und wofür man Ersatzteilregale braucht), die Elektrik schreit gerne mal nach Zuwendung und das Image ist – tja – das genaue Gegenteil von „Prestige vor dem Eiscafé“. Und gerade das macht den Reiz aus. Für alle, die lieber genießen als angeben, ist der Phaeton ein echter Geheimtipp – leider bleibt er das vermutlich auch noch eine Weile.


Exterieur – Eleganz ohne Allüren

Von außen gibt er sich so unauffällig, dass man ihn in der Parkbucht fast übersieht – bis man die Dimensionen beim Einparken spürt. Der Phaeton ist ein Koloss, der aber durch elegante Linienführung und extrem fein gearbeitete Details auffällt. Die „schlichten“ Zierleisten sind, so unscheinbar sie wirken, aus dem Vollen gefräst und machen klar: Hier steckt Aufwand drin. LED-Tagfahrlicht, modifizierte Frontschürze ab Facelift, massives Blechkleid – alles ist handwerklich auf Bentley-Niveau, nur eben mit VW-Logo. Typisch für Piech’scher Perfektionismus: Die Spaltmaße sind messerscharf, die Türgriffe solide, und das Solardach ist ein Technik-Schmankerl. Klar, auffallen will der Phaeton nicht. Aber das was er macht, macht er richtig.


Interieur – So stellt sich VW den Himmel vor

Man findet sich schnell wieder im VW-Oberklasse-Himmel: Softes Leder, wohin das Auge reicht, perfekt verarbeitetes Pappelholz, alles fühlt sich wertig, teuer und haltbar an. Die Sitze – hinten wie vorne – sind Sänften, die schon ab Werk jeden Rücken verwöhnen. Ob Capitan’s Chair oder Fünfsitzer-Bank: Platzangebot ist fürstlich, selbst in der „kurzen“ Version. Memory-Sitze hinten? Check. Belüftung und Heizung? Selbstverständlich. Einzelarmlehnen und ein extra großes Klima-Display machen hinten sitzende Entscheider glücklich wie kleine Kinder. Ganz ehrlich: Für viele ist ein Phaeton innen mehr Wohnzimmer als ihr Wohnzimmer. Einziger Wermutstropfen: Die Elektrik weiß, dass sie anspruchsvoll ist – und anspruchsvoll bleibt.


Bedienung – Innovation braucht Geduld

Wer in den Phaeton steigt, bekommt Technik auf höchstem, aber manchmal eigenwilligem VW-Niveau: Sitzverstellung auf 18 Wegen, elektrisch verstellbare Gurthöhen, Tasten und Regler in Metall, viel Chrom, hochwertige Schalter – alles fühlt sich nach Qualität an. Die Klimaautomatik ist fast eine Wissenschaft für sich, mit eigenen LED-Anzeigen für die Luftmenge. Modernes erobert ab 2010 nach und nach das Cockpit: Touch-Navi, Kameras, neue Farben und – tatsächlich – bessere Grafik. Dennoch bleibt vieles ein bisschen „old school“, manchmal über-ingenieuriert, aber stets mit Liebe zum Detail. Dass es manchmal ein wenig komplex ist? Geschenkt. Wer den Phaeton fährt, will schließlich kein iPad rollen, sondern eine Luxusoase.


Praktikabilität – Das Understatement-Raumschiff

Dieser Wagen ist so groß, dass selbst der Kofferraum mit 500 Litern nur Mittelklasse-Limousinen-Standard bietet. Aber: Wie oft will man da einen kleinen Kühlschrank statt Reserverad finden? Ablagen sind sinnvoll platziert, Stauraum ist überall, und selbst die Aschenbecher sind filigran wie Schmuckschatullen. Kinderfreundlich? Eher weniger, der Phaeton ist ein Business- und Chauffeursauto. Aber Alltagstauglichkeit bringt er trotzdem mit, sofern die Garage Phaeton-Klasse hat. Die langen Versionen sind fast ein Thema für sich – das Einparken bleibt aber immer ein exklusives Vergnügen mit Parkpiepsern deluxe.


Fahrverhalten – Schweben statt Rennen

Fahren im Phaeton ist, als würde man mit einer Wolke kuscheln – und gleichzeitig einen Banktresor spazieren fahren. Die Luftfederung bügelt alles glatt, Fahrgeräusche sind kaum wahrnehmbar, und das Fahrwerk wiegt einen mit Wonne über jede Bodenwelle. Die Lenkung ist angenehm straff, der Sechszylinder-Diesel sorgt stets für genügend Vortrieb, ohne sportlich zu wirken. Beschleunigung? Souverän, aber nie dramatisch – der Klassiker für die linke Spur, ohne arrogant zu wirken. Die Automatik schaltet so seidenweich, dass man sie vergisst. Sportmodus? Gibt’s, benutzt aber kaum jemand. Der Phaeton sagt: Fahrt entspannt, gebt euch dem Komfort hin und lasst die Krawall-Brüder links liegen. Wer Highspeed liebt und das Geld für den V10 oder W12 einsetzen will, sei gewarnt: Wartung und Ersatzteile sind für Fortgeschrittene. Der V6 TDI aber: ehrlich, genügsam, der vernünftige Star der Modellreihe.


⚙️ Technische Daten

  • Modell: VW Phaeton 3.0 TDI
  • Baujahr: 2007 / 2014
  • Motor: V6 TDI
  • Getriebe: 6-Gang-Automatik
  • Antrieb: Allrad
  • Leistung: 224 / 232 / 239 / 245 PS (je nach Baujahr)
  • Drehmoment: ca. 500 Nm
  • Gewicht: ca. 2.150–2.400 kg (je nach Ausstattung/lang/kurz)
  • Höchstgeschwindigkeit: ca. 236–250 km/h
  • 0–100 km/h: ca. 8,5 Sek.
  • Verbrauch (kombiniert): 8,5–9,4 l/100 km (je nach Ausführung)
  • Preis (Basis/Testwagen): heute gebraucht 5.000–25.000 Euro je nach Zustand

🔝 Top 5 – Was richtig gut ist

  1. Schwebt auf Straßen wie eine S-Klasse – nur ohne das ganze „Schau mal, ich kann’s“-Getue.
  2. Leder und Holz soweit das Auge reicht – mehr Wohnzimmer geht nicht, es sei denn, ihr wohnt bei Bentley.
  3. Extrem ausgewogene Federung: Auch nach 1.000 km Autobahn steigt man aus wie frisch gebügelt.
  4. Unterstatement pur – für Kenner ein wahrer Leckerbissen.
  5. Solide Dieseltechnik, besser als der Ruf – mit der Option auf bezahlbare Ersatzteile (zumindest im Vergleich zu V12 & Co.).

🙈 Flop 5 – Was nicht so toll ist

  1. Ersatzteile und Elektronik können so zickig sein wie ein alter italienischer Sportwagen.
  2. Einparkfreundlich ist was anderes – der Wendekreis macht aus Parkhäusern ein Abenteuer.
  3. Image zwischen Beamter und zu gut für das eigene DSL – keiner erkennt den Wert, außer Nerds.
  4. Die Multimedia-Systeme altern deutlich schneller als das Leder.
  5. Der Wertverlust war (und bleibt) schmerzhaft – ein echtes Schwanenlied für Fachkundige.

Fazit & Score – Die Demokratie auf vier Rädern

Der VW Phaeton ist der Inselbewohner im Meer der Luxuslimousinen: Still, unterschätzt und unterschwellig brillant. Er verzichtet aufs Billigen von Status und ist der perfekte Begleiter für Menschen, die wissen, was sie haben, und das auch genießen wollen – ganz ohne das Bedürfnis, es zum Trend zu machen. Im Unterhalt ist er fordernd, im Komfort himmlisch, im Alltagsgebrauch ein sanftes Abenteuer. Wer echtes Understatement, Technik und Komfort sucht, aber keine Angst vor Eigenheiten und Werkstattbesuchen hat, wird hier glücklich. Mein Tipp: Die späteren 239- oder 245-PS-Diesel (Euro 5!) – die vernünftige Wahl für Enthusiasten mit Stil.

Bewertung im Video: 72 von 100


📹 Zum Video

Hier geht’s zum Video: https://youtu.be/g3ODL6gaWAk

Transparenz

Dieser Text basiert auf dem Video welches am 20.09.2019 zuerst veröffentlicht wurde